Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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4. Sicherheitspolitik
94.063 |
Ziviler Ersatzdienst.
Bundesgesetz |
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Loi sur le service civil |
Botschaft: 22.06.1994 (BBl III, 1609 /FF III, 1597)
Ausgangslage
Die Militärdienstverweigererfrage beschäftigt unser Land
seit anfangs dieses Jahrhunderts. Nach zahlreichen vergeblichen Anläufen hat das
Schweizer Stimmvolk am 17. Mai 1992 mit überwältigender Mehrheit der Einführung eines
zivilen Ersatzdienstes (Zivildienstes) zugestimmt (siehe oben 91.408). Anknüpfend an die
Erfahrungen im Vollzug der Verordnung über die Arbeitsleistung infolge
Militärdienstverweigerung (VAL) regelt das vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetz den
Zivildienst wie folgt:
- Der Zivildienst dient zivilen Zwecken und wird ausserhalb
der Armee geleistet. Er dient der Unterstützung von Institutionen des Gesundheits- und
Sozialwesens sowie von Institutionen, welche dem Schutz der Umwelt dienen.
- Zum Zivildienst werden nur Militärdienstpflichtige
zugelassen, die glaubhaft darlegen, dass sie den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen
vereinbaren können. Die Zulassungsvoraussetzungen nehmen nicht Bezug auf ethische
Grundwerte, sondern auf Gewissensgründe allgemein.
- Der Zivildienst dauert 1,5 mal so lange wie der nicht
geleistete Ausbildungsdienst in der Armee.
- Das Zulassungsverfahren wird sich weitgehend nach den
Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) richten. An die Stelle der Anhörung
durch ein Militärgericht tritt die Prüfung des Gesuchs durch eine zivile Behörde,
konkret durch eine Zulassungskommission.
- Die Belastung im Zilvildienst soll derjenigen im
Militärdienst gleichwertig sein.
- Der Zivildienst wird durch den Bund allein, ohne Mitwirkung
der Kantone, vollzogen.
Verhandlungen
NR |
15./16./20.03.1995 |
AB 1995, 617 |
SR |
21.06.1995 |
AB 1995, 711 |
NR |
27.09.1995 |
AB 1995, 1947 |
SR |
28.09.1995 |
AB 1995, 957 |
NR |
03.10.1995 |
AB 1995, 2047 |
NR / SR |
06.10.1995 |
Schlussabstimmungen (169:10 / 40:0) |
Im Nationalrat lag ein Schwerpunkt der Diskussion
bei der Frage, wie die Zulassungsgründe für den Zivildienst zu regeln seien.
Verschiedene Anträge wollten die Formulierung von Bundesrat und Kommissionsmehrheit
entweder eingrenzen oder ausweiten. FDP, SVP, Liberale und Freiheitspartei wollten
zusätzlich eine glaubhafte Darlegung der Gewissensgründe "unter Berufung auf
ethische Grundwerte". Dieser Antrag unterlag mit 91 gegen 69 Stimmen. Der Vorschlag
von Bundesrat und Kommission setzte sich auch gegenüber Anträgen von Gross (S, ZH) und
Baumann (G, BE) in Richtung freier Wahl zwischen Militär- und Zivildienst durch. Weitere
umstrittene Punkte, in denen sich die Linie von Bundesrat und Kommissionsmehrheit
durchsetzte, waren die Dauer des Zivildienstes und die Ausgestaltung des
Zulassungsverfahrens. Die Möglichkeit von Auslandeinsätzen wurde eingeschränkt: sie
sollen nur ausnahmsweise zulässig sein. Ergänzend aufgenommen wurde eine Bestimmung,
nach welcher zivildienstpflichtige Personen in ausserordentlichen Lagen in gleicher Weise
zu weiteren Einsätzen aufgeboten werden wie Militärdienstleistende. In der
Gesamtabstimmung lautete das Ergebnis 118 für und 17 Stimmen gegen das neue Gesetz.
Auch im Ständerat wurde die Vorlage wohlwollend
aufgenommen und in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme verabschiedet. Die
Sicherheitspolitische Kommission wollte in einem entscheidenen Punkt von der Fassung von
Bundesrat und Nationalrat abweichen. Sie schlug vor, lediglich "ethische oder
religiöse" Gewissensgründe zuzulassen. Für Loretan (R, AG) war klar, dass
sogenannt politsche Verweigerer im Zivildienst nichts zu suchen hätten. Anderer Meinung
war unter anderem Rhinow (R, BL): "Die versuchte Ausklammerung politischer Motive
wäre sogar verheerend, denn sie würde Politik als solche von der Ethik abkoppeln, als
unethisches Unterfangen disqualifizieren." Mit 31 gegen 5 Stimmen lehnte der Rat den
Antrag seiner Kommission ab. Bei den anderen Anträgen folgte er jedoch der Kommission. So
wurde z.B. im Unterschied zum Nationalrat beschlossen, dass sich die Gesuchsteller in
jedem Fall einer persönlichen Anhörung durch die Zulassungskommission zu unterziehen
haben.
Diese Frage war in der Differenzbereinigung am
umstrittensten. Der Nationalrat wollte dem Ständerat zuerst nicht folgen, gab aber nach
dem Beharren der kleinen Kammer nach.
Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern
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